Kap. 2.2

Demografie

Marcel Zwahlen, Nicole Steck, Matthias Egger

Die Frage „Wie viele sind wir?“ bewegt Regierungen bereits seit dem Altertum. Sie bildet die Grundlage der Demografie [von démos (gr.): Volk und grafé (gr.): Schrift, Beschreibung], die sich mit verschiedenen Merkmalen von Bevölkerungen beschäftigt. Dabei interessieren neben der Gesamtgröße der Bevölkerung, ihrer altersmäßigen Zusammensetzung und ihrer geografischen Verteilung auch die sozialen und Umweltfaktoren, die hier für Veränderungen verantwortlich sind. Die Daten zur fortlaufenden Beschreibung der Bevölkerung stammen mehrheitlich aus staatlichen Quellen, v.a. aus Volkszählungen, dem Geburten- und Sterberegister sowie repräsentativen Stichproben-Erhebungen.

Dieser Abschnitt des Lehrbuchs beschäftigt sich mit den Kennziffern, die DemografInnen zur Beschreibung einer Bevölkerung verwenden, z.B. dem Geburtenüberschuss, dem Wanderungssaldo, verschiedenen Sterberaten, der Lebenserwartung und potentiell verlorenen Lebensjahren. Abschließend zeigt er häufig verwendete grafische Darstellungen, z.B. zur Altersstruktur einer Bevölkerung, vermittelt Kenntnisse zur Altersstandardisierung und erläutern zeitliche Trends in West- und Ostdeutschland sowie in der Schweiz.

Alte Schweizerische Lernziele: CPH 17 – CPH 20

Profiles für das gesamte Kapitel 2:

GO 1.12, GO 1.15, GO 1.16, GO 1.17, GO 1.20, GO 1.24, GO 2.8, GO 4.1, GO 4.7, GO 6.5, EP 4.3

Auf dieser Seite finden Sie die in diesem Kapitel verwendeten Literaturquellen, Hinweise zu empfohlener Vertiefungsliteratur, ergänzende Abbildungen und Boxen sowie weiterführende Internetquellen zum Thema.

Literaturquellen und empfohlene Vertiefungsliteratur

 

Zusätzliche Abbildungen

(1) Ergänzende Abbildungen

Web-Abb. 2.2.1

Mortalitätsraten pro 100.000 Personen in West- und Ostdeutschland in den Jahren 1960 und 2013, berechnet nach Altersgruppen und Geschlecht.

Datenquelle: The Human Mortality Database. University of California, Berkeley (USA), and Max Planck Institute for Demographic Research (Germany). Available at www.mortality.org.

Mortalitätsraten pro 100.000 Personen in West- und Ostdeutschland in den Jahren 1960 und 2007, berechnet nach Altersgruppen und Geschlecht
Web-Abb. 2.2.1

 

Web-Abb. 2.2.2  Säuglingssterblichkeit in der Schweiz zwischen 1876 und 2014

Datenquelle: The Human Mortality Database. University of California, Berkeley (USA), and Max Planck Institute for Demographic Research (Germany). Available at www.mortality.org.

Säuglingssterblichkeit in der Schweiz zwischen 1876 und 2007
Web-Abb. 2.2.2

 

Web-Abb. 2.2.3 Entwicklung der durchschnittlichen Lebenserwartung ab Geburt in der Schweiz zwischen 1900 und 2014.

Datenquelle: The Human Mortality Database. University of California, Berkeley (USA), and Max Planck Institute for Demographic Research (Germany). Available at www.mortality.org.

Entwicklung der durchschnittlichen Lebenserwartung ab Geburt in der Schweiz zwischen 1900 und 2007
Web-Abb. 2.2.3

 

Zusätzliche Boxen

(1) Ergänzende Box
Web-Box 2.2.1 Todesursachen vor hundert Jahren und heute

Vergleicht man die Verteilung der Sterbefälle nach Todesursachen vor hundert Jahren mit heute, zeigen sich deutliche Unterschiede. Im Schweizerischen Statischen Jahrbuch von 1902 sind Angaben zu den Todesursachen in den 15 schweizerischen Städten mit mehr als 10.000 Einwohnern für das Jahr 1900 zu finden. In diesem Jahr verstarben dort insgesamt 11.814 Personen (ohne Totgeburten). Todesursache waren in 9,7% der Fälle ein Darminfekt (Enteritis) im 1. Lebensjahr, in 14,2% der Fälle eine Lungenschwindsucht (Tuberkulose), in 5,6% der Fälle andere Infektionskrankheiten (darunter 231 Fälle von Masern) und in 10,5% akute Erkrankungen der Atmungsorgane. Etwas mehr als hundert Jahre später sind in der Schweiz rund 40% der Todesfälle auf Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems zurückzuführen. An zweiter Stelle folgen die Krebserkrankungen, die für 25 – 30% aller Todesfälle verantwortlich sind. An Infektionskrankheiten einschließlich der Virusgrippe und verschiedener Formen der Lungenentzündung (Pneumonie) sterben heute weniger als 5% der Menschen. Quelle: Bundesamt für Statistik

(2) Ergänzende Box zu Kap. 2.2.2  Todesursachen und potentiell verlorene Lebensjahre
Web-Box 2.2.2 Direkte Standardisierung von Raten

Standardisierung ist ein Verfahren zur Berechnung vergleichbarer epidemiologischer Maßzahlen für Populationen, die sich bezüglich ihrer Struktur unterscheiden, wie zum Beispiel hinsichtlich ihres Alters oder des Geschlecht. Besonders wichtig ist die Altersstandardisierung, da das Alter bei vielen Gesundheitsproblemen eine Rolle spielt. Ein einfacher Vergleich (z.B. von Mortalitätsraten) kann irreführend sein, wenn die Altersstruktur der Bevölkerung unterschiedlich ist. Dies wird in den folgenden Tabellen illustriert: Die rohe Sterblichkeitsrate ist auf der Insel Oxia um 10 pro 1.000 Einwohner höher als auf Imia (50 gegenüber 40 pro 1.000), obwohl in jeder Altersgruppe die Sterblichkeit auf Oxia um 10 pro 1.000 niedriger liegt als auf Imia!

Dies ist auf die verschiedene Altersstruktur der Bevölkerung auf Oxia und Imia1 zurückzuführen: Auf Oxia ist die Mehrheit der Menschen 65 Jahre oder älter, während die meisten Menschen auf Imia jünger als 35 Jahre alt sind. Mit Hilfe einer Standardpopulation können nun standardisierte Raten berechnet werden, welche die unterschiedliche Altersstruktur korrigieren (sogenannte direkte Standardisierung). Das geht ganz einfach: Zuerst werden die in den Standardpopulationen erwarteten Todesfälle anhand der altersspezifischen Raten der beiden Inseln berechnet.

Diese werden addiert, um die altersstandardisierte Rate zu erhalten. Sie beträgt auf Oxia 42 pro 1.000 und auf Imia 52 pro 1.000 Einwohner und ist somit – wie erwartet – auf Oxia um 10 pro 1.000 Einwohner niedriger als auf Imia.

Die Altersstandardisierung mittels einer Standardbevölkerung wird häufig etwa bei Krebsregistern zum Vergleich von Morbiditäts- oder Mortalitätsraten herangezogen (s. Kap. 7.2). Insbesondere für Vergleiche zwischen Regionen/Ländern (z.B. zwischen Deutschland und der Schweiz; s. Kap. 7.2) oder Vergleiche über die Zeit ist eine Altersstandardisierung oft notwendig, um Verzerrungen (Confounding; s. Kap. 2.1) aufgrund unterschiedlicher Altersstrukturen zu vermeiden.

Interpretation altersstandardisierter Raten
Interpretation altersstandardisierter Raten

Bei der Interpretation altersstandardisierter Raten ist zu beachten, dass es keine realen, beobachtbaren Raten sind. Sie beschreiben vielmehr, wie die Mortalitäts- oder Morbiditätsraten wären, wenn die betrachteten Bevölkerungen der Standardbevölkerung entsprächen. In der Praxis werden häufig die links abgebildeten Standard-populationen für Europa oder die Welt verwendet. Die Auswahl der Standardbevölkerung ist jedoch unwichtig, solange sichergestellt ist, dass bei Vergleichen jeweils dieselbe Standardbevölkerung eingesetzt wurde. Aus diesem Grund sind auch keine separaten Standardbevölkerungen für die beiden Geschlechter erforderlich.

1 Bei Oxia und Imia handelt es sich in Wahrheit um unbewohnte griechische Inseln.

Internetquellen zum Thema

Die demografische Beschreibung der Bevölkerung stützt sich fast ausschließlich auf staatliche Statistiken, die fortlaufend geführt werden. Dies sind z.B. Angaben aus den Einwohnermeldeämtern, den regelmäßig durchgeführten Volkszählungen und den amtlichen Erfassungen von Geburten und Todesfällen. Die gesammelten und bearbeiteten Informationen werden vom Statistischen Bundesamt Deutschlands und vom Schweizerischen Bundesamt für Statistik regelmäßig veröffentlicht. Viele dieser Informationen sind auf den Internetseiten der drei Ämter auffindbar:

Alle drei Ämter haben so genannte Bevölkerungsszenarien erstellt, in denen Zukunftsprognosen abgegeben werden. Die Berichte hierzu sind auf den jeweiligen Internetseiten auffindbar:

Sehr nützlich sind auch die für etwa 35 verschiedene Länder zusammengestellten Angaben zu Bevölkerung, Todesfällen, Mortalitätsraten und Lebenserwartung, welche The Human Mortality Database zur Verfügung stellt. Diese Angaben werden vom Department of Demography at the University of California, Berkeley, USA, und dem Max-Planck-Institut für demographische Forschung erstellt. Um die Daten einsehen zu können, muss man sich dort zuerst kostenlos registrieren.

Weitere Internetquellen zum Thema

(All accessed 17 October 2023)